Dank Karin Beiers Inszenierung von Houellebecqs „Unterwerfung“ am Deutschen Schauspielhaus kam der wundervolle Schauspieler Edgar Selge nach Hamburg. Und zu mir in meine Praxis. Da Edgar schon seit ein paar Jahren die Grinberg Methode für sich nutzt und ich aufgrund meiner Theatervergangenheit (an dieser Stelle: Donner und Konfetti!) rasend gerne mit Schauspielern arbeite, wollte ich ihm gerne ein paar Fragen stellen, um die Antworten mit Euch zu teilen…
Katrin Sadlowski: UNTERWERFUNG ist auf vielen Ebenen eine riesige Herausforderung, die Du grandios bewältigst. Musstest Du dafür Deinen Körper unterwerfen?
Edgar Selge: Das Projekt „UNTERWERFUNG“ sucht, wie alle meine Projekte, die Herausforderung, den Anspruch, das Besondere, riskante Entdeckungsreisen. Eine bewusste „Unterwerfung“ des Körpers gehört nicht zu meiner Lebenseinstellung. Ebenso gehören Leiden und Genuss in meiner Arbeit und in meinem Leben zusammen, frei nach der Maxime: nichts ist wahr ohne sein Gegenteil. Beides , Leiden und Genuss, sind für mich Realitäten des Lebens und der Welt.Es ist richtig, dass sich mein Körper häufig mit Schmerzen meldet, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Körper will nicht links liegen gelassen, sondern will mitgenommen werden in die Realisierungsarbeit aller Projekte und Ideen.
Das kann schwierig werden wie etwa beim Textlernen von UNTERWERFUNG. Die schiere Masse des Textes – 43 Seiten – führte beim Lernen zu Übelkeit, Magenschmerzen, Druck auf den Ohren und Kopfschmerzen. Nur strikte Lernpausen konnten da helfen. Auf den Proben glich sich diese Problematik durch die Körperlichkeit auf der Bühne und durch die pausenlose Benutzung der Stimme aus.
Unabdingbar waren während der Probenzeit die regelmäßigen Grinbergsitzungen bei dir, Katrin, mindestens drei Mal pro Woche, die meine Aufmerksamkeit täglich auf die körperliche Präsenz lenkten. Vom Aufwachen bis zum Einschlafen war mir mein Körper so bewusst und wichtig wie der Text und die Geschichte, die ich mit UNTERWERFUNG erzählen wollte. Da war bis zur Premiere eine Konzentration und Harmonie zwischen Körper und Geist, die funktionierte.
Worauf musstest Du achten, damit aus der Herausforderung keine Überforderung wurde?
Es gibt bei mir eine Gefahr, Anzeichen von Erschöpfung, besonders bei der „Kopfarbeit“, nicht rechtzeitig zu erkennen.
Ebenso gibt es Widerstände in mir, (die ich den “ inneren Schweinehund“ nenne,) Dehnübungen zu machen, die die Verbindung von Sohle bis Scheitel immer wieder körperlich herstellen. Erst wenn diese Verbindung hergestellt ist, bin ich eigentlich im Leben angekommen, auch im Innenleben. Gefühl und Erinnerung liegen dann wie ein Dschungel offen da und können erahnt, erfasst, entdeckt und gestaltet werden.
Nach wie vor gehört es – lustigerweise- zu meiner Hauptaufgabe, mir Pausen und Ruhe zu geben und sie zu geniessen. Dieser Aufgabe komme ich am liebsten mit der Grinberg Methde nach, so wie ich sie durch dich, liebe Katrin, Dorothee Dukek in Stuttgart und Eylam Langotsky in Berlin kenne.
Ich würde sehr gerne wissen, ob es irgendeine Erkenntnis gibt, die Du als Edgar, der Du jetzt bist, dem Schauspielschul-Edgar von damals gerne mitgegeben hättest. Also so eine Art Tipp.
Der einzige Tipp, den der alte Edgar dem jungen geben könnte, ist : Freude am Körpertraining zu entwickeln. Gerade beim Körpertraining auf Selbstbestimmung zu bestehen, darauf zu achten, was man machen und wie weit man gehen möchte. Die Freiwilligkeit ist so wichtig wie das Training selbst. Nur man selbst kann sagen, was dem Körper gut tut. Das Wenige, das man im Vergleich zu anderen leisten kann, bedeutet unendlich viel, wenn es ohne Masochismus, ohne Quälerei getan wird. Leider will man gelobt werden für seine körperliche Leistung, man will einem von außen angelegten Maßstab genügen, anstatt die Erfahrung selbst Wert zu schätzen. Damit versaut man sich die Liebe zu sich selbst. Aber es ist nie zu spät.
Foto: Muriel Liebermann