Heute möchte ich an dieser Stelle meine Kollegin ANINIA zu Wort kommen lassen. Wir sind uns im Zuge von Aus- und Fortbildung begegnet und ich schätze an ihr insbesondere ihre Fähigkeit, in konflikthaften oder vor Ambiguität überlaufenden Situationen Klarheit und Ruhe zu bewahren. Für meinen Blog berichtet ANINIA über eine Sitzung mit einer Klientin, in der es um das Thema Vertrauen ging.
„Irgendwie immer, wenn ich Sachen organisiere, die mir wichtig sind und wo ich alles rein stecke, damit es klappt… hinterher habe ich ein paar Stellen, die weh tun. Letztendlich kommt das in dem Moment, wo sich die Situation gelöst hat und ich mich eigentlich freuen könnte. Dann kommt die Hüfte und tut weh, mit der fängt es an. Und dann tut manchmal der Brustkorb weh und fühlt sich eng an. Und ich bin unglaublich erschöpft.“
Meine Klientin vermeidet dann zu atmen, macht sich ganz still – als wäre sie unsichtbar.
In der Sitzung untersuchen wir, was eigentlich passiert, wenn sie den Brustkorb mehr bewegt… wenn sie Platz macht für ihre Lungen und ihr Herz. Wenn Bewegung da sein kann.
Meine Hände liegen seitlich an den Rippen und folgen der Atmung. Ich lade sie ein, meinen Händen entgegen zu kommen und sich zu trauen, noch mehr Platz zu haben.
“Wenn ich meinem Herz Platz mache und atme, spüre ich auf einmal, dass es auch eine Möglichkeit ist, dass es vielleicht nicht klappt. Dass ich mich abmühe und alles mache, was nur geht und es aber trotzdem nichts wird. Das ist unangenehm. Und das wäre traurig, denn mein Herz hängt daran.”
Kurze Zeit später: “Und weißt du was dann oft passiert? Das ist voll oft so, dass irgendwie eine Lösung von irgendwoher kommt , und ich weiß gar nicht woher. Aber ich trau mich nicht, mich darauf zu verlassen.”
Teil ihrer Anstrengung ist der Kampf, sich entweder auf das Universum zu verlassen, oder sich abzumühen und bloß keinen Fehler zu machen. Aber in beiden Fällen den Brustkorb festzuhalten, weil… wenn sie weniger atmet, spürt sie weniger, dass es traurig wäre, wenn es nicht klappt. Oder dass sie unsicher ist, wie es ausgeht.
Die Möglichkeit, dass etwas nicht funktioniert, wird dadurch nicht weniger, dass sie weniger atmet. Nur die Erschöpfung und das Gefühl sich immer und immer wieder so abzumühen werden langsam mehr. Und nach einer Weile kommen Schmerzen.
Manchmal klappen Dinge, die wir wollen, und wir können anhand unserer Handlungen nachvollziehen, wie es dazu kam. Manchmal klappen Dinge nicht, und wir können hinterher erkennen, wo wir Fehler gemacht haben. Manchmal klappen Dinge und wir haben keine Ahnung, was da überhaupt passiert ist. Und manchmal klappt etwas nicht, obwohl wir „alles richtig“ gemacht haben.
Wenn ich ehrlich bin, würde ich sagen, dass ich meistens nicht genau weiß, warum das passiert was passiert (auch wenn ich oft detaillierte Erklärungen bereit habe)… Und wenn ich ehrlich bin, ist das ziemlich unheimlich und aufregend. Und ich trau mich auch nicht, mich darauf zu verlassen. Weil – who knows!?
Aber: Ich lebe!
Das heißt, dass ich bisher immer eine Lösung gefunden habe, mit dem Ergebnis von diesem Unheimlichen, Aufregenden umzugehen.
Wie meine Klientin, die da liegt und atmet und spürt, dass sie sich vielleicht nicht immer darauf verlassen kann, dass ihr jemand aus heiterem Himmel die perfekte Wohnung anbietet.
Aber sie weiß, dass sie sich drauf verlassen kann, dass sie dann einen anderen Weg findet. Und sie spürt, dass sie das viel besser kann, wenn sie atmet und den Brustkorb nicht so festhält. Zum Beispiel, weil sie dann weniger Schmerzen bekommt und mehr Energie hat.
Und weil sie dann spüren kann, dass sie sich nicht nur abmüht, weil sie alles richtig machen will… sondern, dass sie auch viel macht weil sie’s spannend findet und sie unterwegs lauter interessante Menschen trifft. Menschen, die vielleicht niemals was mit dieser Wohnung zu tun haben werden, aber ihr Leben ansonsten bereichern.
Wer das liest… lebt.
Spür mal!
…die Atmung geht rein und raus. Das Blut fließt durch die Adern… vielleicht spürst du deinen Herzschlag. Die Nase rümpft sich vielleicht oder die Mundwinkel bewegen sich auf oder ab. Die Zehen wippen gegen den Stuhl. Das alles passiert und ist ein Zeichen von Leben.
Selbst schwitzige aufgeregte Hände oder zappelige Beine sind sehr lebendig.
Und wenn irgendwas grade unsicher ist oder zwischendurch mal weh tut, kannst du da kurz hinspüren und dem vertrauen, was du ganz offensichtlich seit du geboren bist kannst: leben.
ANINIA ÜBER ANINIA:
Persönliche Integrität und die Vielschichtigkeit von Menschsein und Kommunikation haben mich schon in der internationalen Friedens- und Jugendarbeit interessiert. Über Theaterpädagogik und interkulturelles Coaching bin ich bei der integrierten Körperarbeit gelandet, die mir erlaubt, wirklich ganzheitlich zu arbeiten. Ein roter Faden ist meine Neugier auf das Menschsein und die Vielfältigkeit wie wir alle mit dem umgehen, was sich im ersten Moment paradox oder als Konflikt anfühlt, aber so unzertrennbar verknüpft ist mit dem Leben.
Jede Begegnung mit Anderen ist ein Erforschen des Menschseins – immer auf’s Neue zu lernen, wie das noch geht und wie das mit mehr Freude und Integrität gehen kann.
Meine Leidenschaft besteht darin, sichere Räume zu schaffen, in denen auch andere sich diesem Erforschen widmen können und so Energie schöpfen und Lösungen finden zu können – für die Herausforderungen und Veränderungen, die wir als Individuum und als Gesellschaft erleben.
In Einzel- oder Gruppensessions nutze ich Fragen, Körper-, Aufmerksamkeits- und Atemübungen, sowie Bewegung um neue Wege zu finden, mit Konflikt, Schmerz oder Frust umzugehen. Und das Leben spielerischer und mit Freude weiter zu gestalten.
Bis Ende des Jahres könnt Ihr einmal die Woche mit mir gemeinsam durchatmen – jeden Donnerstag gibt es die Thursday Breathers auf Facebook live.
Foto: Aninia