Glaube nicht alles, was Du denkst

Wie Meditation Dir helfen kann, Gedankenkreise zu stoppen und emotionale Feuer zu löschen

Still sein.

Die eigene Wahrnehmung wahrnehmen.

Würde Meditation bereits in der Schule unterrichtet – the world would be a better place.

Ich sehe Meditation als mentales Training. Wir trainieren unseren Körper, um uns leichter und mit weniger Schmerz in der Welt bewegen zu können. Warum nicht genauso den Geist trainieren, um klarer und stabiler zu werden und offener und mitfühlender mit anderen Menschen und mit uns selbst umgehen zu können?

Denn mal ehrlich: abgesehen davon, dass unser Selbst eh zu 80% aus unbewussten Vorgängen besteht, sind die paar bewussten 20 % da oben im Kopf ebenfalls ganz schön außer Rand und Band… Und diese „Unruhe im Kopf“ ist für die meisten Menschen auch das erste, was sie wahrnehmen, wenn sie versuchen zu meditieren – und es dann lieber ganz schnell wieder bleiben lassen. Aber es lohnt sich wirklich, dranzubleiben!

Zu Beginn geht es um die Wahrnehmung dessen, was dort oben eigentlich passiert, wenn wir denken. Erst einmal werden wir feststellen, dass wir die Gedanken nicht kontrollieren können. Sie kommen von irgendwoher und gehen dann wieder irgendwo hin. Um zu wissen, welche Art des Denkens es zu kultivieren und welche es loszulassen gilt, unterscheide ich, wenn ich mit meinen Klienten arbeite, zwischen konstruktiven und destruktiven Arten des Denkens.

Zu den destruktiven Arten des Denkens zählen Grübeln (sich immer das Gleiche fragen und erzählen, gerne gegen 4.00 Uhr morgens…) und auch die kommentierende Stimme im Kopf. Bei den wenigsten Menschen ist diese nämlich wohlwollend, sondern hört sich eher so an: „Na, ob Du das schaffst? Das ist bestimmt zu schwierig für dich.“ oder „Siehst Du, immer musst du alles selber machen, sonst macht es keiner.“ oder „Los, sag mal was Kluges!“ oder „Pass bloß auf, dass keiner mitkriegt, dass Du traurig bist, das zieht dann wieder alle runter.“ Aka: der innere Kritiker.

Zu den konstruktiven Arten des Denkens zähle ich das Nachdenken, also Probleme lösen, neue Erkenntnisse generieren oder Visionen entwickeln und Pläne schmieden. Merke: im Unterschied zum Grübeln kommt da etwas Neues bei raus, was man nicht schon 1000 Mal gehört hat.

Viele Menschen, die zu mir in die Praxis kommen, leiden nur vordergründig an einem Symptom oder an einer Situation. Als wahre Quelle ihres Leids entpuppt sich meist entweder der Kampf gegen ein Gefühl oder der Glaube an den Inhalt dessen, was die Stimme im Kopf wieder mal Abwertendes oder Problematisierendes von sich gibt.

Gefühle und Gedanken befeuern sich gegenseitig. Gewisse Emotionen werden mit den immer gleichen Bewertungen und alten Geschichten verknüpft. Gewisse Gedanken und Glaubenssätze entzünden ein emotionales Feuer. Und je intensiver dieses Feuer, desto eher sind wir bereit, dieser Stimme im Kopf auch tatsächlich zuzuhören oder uns sogar noch mit ihr zu unterhalten! Wobei allein schon die Tatsache, dass sie immer wieder das Gleiche sagt (meist seit Jahren!) uns stutzig machen sollte.

Stellt Euch doch mal vor, diese wiederkehrende Stimme wäre tatsächlich eine Person, die uns begleitet und derart auf uns einredet. Würden wir den Kontakt zu ihr halten wollen? Würden wir uns ihr gar zuwenden und noch einmal ganz genau nachfragen, ob es vielleicht noch etwas gibt, das wir nicht gut genug machen? Nein! Natürlich nicht. Wir würden sofort die Nummer löschen. Da aber diese Stimme in unserem Kopf ist, behandeln wir sie als spräche sie die Wahrheit. Und wir beginnen, uns dementsprechend zu verhalten.

Wie kann Meditation hier helfen?

Wir haben zwar keine Kontrolle über das Auftauchen unserer Gedanken oder Emotionen. Sie kommen und gehen, wenn man sie nicht mit aller Kraft und Aufmerksamkeit fest zu halten versucht. Nicht einmal der größte Schmerz bleibt ewig.

Doch wir haben Kontrolle darüber, wie wir auf unsere Gedanken und Emotionen reagieren. Das können wir trainieren.

Die Fähigkeit, die durch Meditation trainiert wird, ist, Gedanken und Gefühle wahrzunehmen und weder gegen sie zu kämpfen noch impulsiv aus ihnen heraus zu handeln, sondern sie „sein“ zu lassen.

Meditieren bedeutet nicht, den Gefühlen und Gedanken gegenüber taub zu werden oder über ihnen zu stehen oder in irgendeiner Form besser oder erleuchteter zu werden. Es bedeutet zu üben, sich nicht automatisch mit ihnen zu identifizieren.

Es bedeutet freier zu werden und besser urteilen zu können, welche Gefühle wichtige Wegweiser für uns sind und welche Gefühle destruktives Verhalten fördern.

Auch während der Körperarbeit in meiner Praxis ist das einer der wertvollsten Momente: der Moment, in dem die Leiden verursachende Bewertung im Kopf weicht und der simplen, offenen Wahrnehmung Platz macht.

Ich benutze während einer Sitzung oft die Beschreibung von Körperempfindungen als Einstieg in diesen wahrnehmenden, bewertungsfreien Modus.

Was fühlst Du? – Ich bin wütend? – Wie fühlt sich das an? – Es ist in meinem Kopf. – Was ist in Deinem Kopf? – Der Gedanke an meine Freundin. Dass sie mich verlassen hat. Warum habe ich ihr nicht gereicht? – Du denkst also daran, dass sie dich verlassen hat? Und Du erzählst Dir, dass es daran liegt, dass Du ihr nicht gut genug warst? – Ja. – Das ist ein Gedanke, kein Gefühl. Woher weißt Du aber, dass dich das wütend macht? Was fühlst Du im Körper, dass Du als Wut interpretierst? – Also, ich fühle mich so schwer, als würde etwas auf mir drauf liegen. – Überall auf dir oder an bestimmten Stellen. – Am Brustkorb. – Wo genau? – Hier so am Brustbein. – Spüre diese Empfindung am Brustbein. Benutze die Atmung, um mit der Aufmerksamkeit dort zu bleiben an dieser schweren Stelle. Atme dorthin. Was passiert? – Es fühlt sich nicht mehr ganz so schwer an. Aber jetzt kommt da so ein Zittern und es wird eng am Hals…

Wenn es meinem Klienten gelingt, seine Aufmerksamkeit von der Stimme im Kopf weg zu lenken, seine Wut als eine Körperempfindung wahrzunehmen, dann verschwindet diese leidvolle vollkommene Identifikation mit seinen Gedanken und Gefühlen. Er ist nicht mehr gefangen in seiner Geschichte und in seiner Interpretation von „nicht gut genug sein“, die in ihm ein Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung auslöst. Dann gibt es das wahrgenommene Gefühl UND ihn, den Wahrnehmenden. Dann beginnt er zu beobachten, dass die Empfindungen sich verändern. Dass vielleicht eine andere Emotion dazu kommt. Oder dass die Emotion stärker wird und dann wieder verschwindet.

Ein durch Meditation geübter Geist, kann viel schneller eine nicht-wertende, beschreibende Perspektive einnehmen und klarer wahrnehmen, was eigentlich gerade in diesem Moment ist. Auch wenn im Hintergrund ein emotionales Feuer lodert oder die Stimme im Kopf um Aufmerksamkeit buhlt.

Dieser Wahrnehmungsmodus erlaubt Veränderung, neue Bewertungen, neue Erkenntnisse und neue Ideen.

Gefühle, Gedanken und Empfindungen sind in der Meditation klar spürbar, ohne dass man an ihnen leidet.

Willst Du es mal ausprobieren?

Wenn Du eine KlientIn von mir bist, kannst Du zur nächsten Sitzung einfach ein Aufnahmegerät, z.B. Dein Handy mitbringen. Wir nehmen Dir dann eine individuelle Meditationsanleitung auf, so dass Du Dich auch zuhause oder mit Kopfhörern im Bus von meiner Stimme durch eine Körpermeditation führen lassen kannst.

ODER

Wenn Du regelmäßig in einer Gruppe trainieren möchtest, kannst Du z.B. nach buddhistischen Zentren, Yoga-Schulen oder MBSR-Kursen in Deiner Nähe Ausschau halten. Mit anderen Menschen in einem Raum zu meditieren kann sehr hilfreich sein, um die Aufmerksamkeit aufrecht zu halten und leichter in eine intensive, stille Atmosphäre eintauchen zu können.

ODER

Wenn Du erst einmal alleine zuhause ein bisschen Ausprobieren möchtest, lass Dich doch von einer hilfreichen Stimme anleiten!

Hier sind drei Meditations-Apps, die ich getestet habe:

Die Meditations-App, welche ich regelmäßig nutze, heißt Waking Up. Entwickelt wurde sie von dem Neurowissenschaftler und Religionskritiker Sam Harris. Die Meditationen sind in der Regel 10 Minuten lang und auf Englisch. Außerdem gibt es einen Meditationstimer für das selbstbestimmte Training und eine Reihe von Lektionen zu artverwandten Themen wie „Freier Wille“, „Die Illusion des Selbst“ oder „Dankbarkeit“. Die ersten fünf Kurstage sind kostenlos.

Meine liebste deutschsprachige Meditations-App ist 7Mind. Die Meditationen werden von einer angenehmen Märchenerzählerstimme angeleitet und dauern … 7 Minuten! Du kannst einen Timer setzen, der Dich täglich an Deine Meditation erinnert. Es gibt kostenlose Einführungsmeditationen und einen zusätzlichen kostenpflichtigen Bereich, den man später frei schalten kann, wenn man mehr will.

Dann gibt es noch Headspace, eine ebenfalls teilweise kostenlose App mit einem zahlungspflichtigen Bereich für Fortgeschrittene. Die Meditationen sind auf Englisch und werden auf eine lässige Art von einem Mann gesprochen. Headspace bietet ebenfalls die Möglichkeit, Dich an Deine geplanten Auszeiten vom Alltag erinnern zu lassen. Weiterer Vorteil: Du kannst zwischen 3, 5 und 10 minütigen Meditationen wählen.

Jetzt würde ich gerne von Dir wissen:

Was passiert, wenn Du meditierst? Gelingt es Dir für ein paar Momente, Deine Gedanken und Gefühle einfach nur wahrzunehmen? Verändern sie sich dann? Was hilft Dir am meisten, um mit der Aufmerksamkeit bei Dir zu bleiben? Der Fokus auf die Atmung vielleicht? Wie fühlst Du Dich danach?

Probier es aus! Denn Erkenntnis ohne Handlung ist sinnlos.

Ich habe zwar keine Kommentarfunktion für meine Blogposts, aber ich liebe Resonanz! Schreibe mir gerne unter mail@katrinsadlowski.de, wenn Du Deine Erfahrungen und Gedanken mit mir teilen möchtest! Auch Fragen oder Vorschläge für Blog-Artikel-Themen sind Willkommen.

Und falls Du jemanden kennst, der eine kleine Einstiegshilfe in die Meditation wertschätzen würde, leite ihm gerne diesen Artikel weiter!